Legg Mason zu Europa: „Der diesjährige Juni wird die Erwartungen mehr als erfüllen“

Äußert vorsichtig sind derzeit die Experten der Legg Mason-Tochtergesellschaft Martin Currie mit Blick auf Europa. „Der Juni ist historisch betrachtet schon immer der schlechteste Monat im Jahr für die europäischen Aktienmärkte. Und wenn man sich das aktuelle Geschehen anschaut, wird der diesjährige Juni die Erwartungen mehr als erfüllen“, sagt Michael Browne, Fondsmanager des Legg Mason Martin Currie European Absolute Alpha Fund. Sein Kollege und Co-Fondsmanager Steve Frost ergänzt: „Wir bleiben derzeit äußerst vorsichtig, weil das Abwärtsrisiko und somit auch die Chancen im Short-Buch für uns zunehmen.“

Wieder Aufregung bei den Briten

Mit „aktuellem Geschehen“ meinen die beiden erfahrenen europäischen Aktienfondsmanager natürlich auch die erneuten politischen Turbulenzen in Großbritannien. Zwar sei bereits absehbar gewesen, dass Theresa May irgendwann zurücktreten würde, als es ihr nicht gelang, bei den allgemeinen Wahlen 2017 die Mehrheit zu gewinnen. Schließlich habe sie versucht, ohne Abgeordnetenmandat eine Antwort auf das vielleicht schwierigste politische Dilemma Großbritanniens der letzten fünfzig Jahr zu finden. Dennoch sei mit ihrem Rücktritt nun noch immer ungewiss, wie es weiterginge. „Wer auch immer die Nachfolge von May antritt, muss zunächst für einen Konsens im britischen Parlament sorgen“, sagt Browne. „Ob die EU eine solche Lösung dann jedoch annimmt, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Gelingt es einer neuen britischen Führung nicht, einen Konsens herbeizuführen oder lehnt die EU einen solchen ab, ist der einzige Weg zurück zum Wähler – entweder in Form allgemeiner Wahlen oder, wenn auch unwahrscheinlicher, eines erneuten Referendums.“

Die Aussichten auf einen harten Brexit haben sich damit wohl erhöht, darüber sei sich der Markt bewusst. „Unter diesen Umständen würde die Wahrscheinlichkeit eines Sieges für die Labour Partei steigen – und die wird allgemeinhin als unternehmens-, schulden- und damit marktfreundlich wahrgenommen“, ergänzt Frost. Unter solchen Umständen ist es eigentlich nur logisch, dass sich das britische Pfund abschwächt und die verschiedenen Anlageklassen das Risiko einpreisen. Doch weit gefehlt, sagt Frost: „Wir befinden uns in einer politisch chaotischen Phase mit viel Ungewissheit. Das Abwärtsrisiko ist deutlich. Doch eingepreist wird es erst, wenn die Konservativen ihren neuen Parteivorsitz benennen.“

Neukonfiguration in Europa

Währenddessen wirken die Ergebnisse der Europawahl dramatischer als sie eigentlich sind. Alle hatten mit einem Siegeszug der Nationalisten gerechnet, der jedoch – bis auf Italien – ausgeblieben ist. „Die Mitte-Rechts-Parteien wurden bei der Europawahl geschwächt. Dafür stehen ihnen nun starke Grüne und Liberale zur Seite, die sogar noch deutlicher für eine europäische Integration sind“, glaubt Browne. „Es wird vermutlich einen Kampf um die Spitzenpositionen geben, wahrscheinlich ist jedoch, dass die an eindeutig pro-europäische Politiker gehen, denen ein umsetzbarer Konsens gelingen dürfte.“ Interessant sei indessen die Besetzung des EZB-Chefs. Würde der bisherige Bundesbankpräsident Jens Weidmann berufen, könnte das zu Unsicherheit bis hin zur Besorgnis führen, glauben die beiden Europa-Experten der Legg Mason-Tochterfirma. Zittern dürften dann vor allem italienische Schuldner sowie die Bankenbranche.

Wenn sich der Staub legt

Forst und Browne warten nun also ab, bis sich der politische Staub über Europa gelegt hat. Sie glauben, insbesondere nach der Europawahl würde man sich schnell wieder auf die eigentlich dringlichen Aufgaben konzentrieren. Schließlich gäbe es einen deutlichen Abschwung in der Industrie, allen voran in der Fertigung, von dem viele glauben, er hänge mit dem Handelskrieg zwischen den USA und China zusammen. Die beiden Europafondsmanager zeigen jedoch auch, dass dieser Abschwung bereits in der zweiten Hälfte 2018 und damit vor dem Konflikt begonnen hat. „Sollte sich das Schwächeln der Industrie bis auf den Service-Sektor ausdehnen, könnte der wirtschaftliche Abschwung deutlich stärker als bisher ausfallen.

Das wiederum würde den politischen Druck in den hochverschuldeten europäischen Ländern erhöhen, mit entsprechender Fiskalpolitik zu antworten, was die EU ihrerseits ablehnen würde“, führt Browne aus und Frost ergänzt: „In einem solchen Szenario steht die EZB unter Druck, ihre quantitative Lockerung zu erneuern, wovon Deutschland nicht begeistert wäre.“ Das Risiko einer deutlichen Rezession wie wir sie 2008/2009 erlebt haben, sei aktuell jedoch nicht groß. Vermutlich befinden wir uns bereits in einer milden Variante. Das Risiko diese milde Rezession mit politischen Fehlern – egal ob monetär, steuerpolitisch oder auf Bankenebene – zu vertiefen, sei hingegen real. „Erst wenn die Märkte sich substanziell zurückziehen, gibt es wieder Einstiegsgelegenheiten“, schließt Browne ab.