House of Cards

Die US-Präsidentschaftswahlen sind inzwischen eindeutig auf dem Anlegerradar bzw. des privaten Sektors angekommen, und die Programme der beiden Kandidaten sind so unterschiedlich wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Wenn Donald Trump zum Präsidenten gewählt wird, könnte das Haushaltsdefizit deutlich ansteigen (auch, wenn er sich in dieser Beziehung bisher „hawkish“ äußert), denn ähnlich wie einst Ronald Reagan dürfte er die Steuern vor allem für die höheren Haushaltseinkommen und für Unternehmen senken und gleichzeitig die Sicherheits- und Verteidigungsausgaben erhöhen. Für sich genommen könnte dies positive Auswirkungen auf die Wirtschaft haben.

Gleichzeitig wären die Märkte jedoch mit größerer Unsicherheit konfrontiert, die z.B. durch einen Schwenk hin zu einer stärker protektionistischen Politik verursacht würde. Seit etwa einem Monat geht Trumps Beliebtheit in den Meinungsumfragen deutlich zurück, da einige seiner Äußerungen in der Öffentlichkeit nicht gut aufgenommen wurden (das beste Beispiel ist seine Auseinandersetzung mit den Eltern eines gefallenen amerikanischen Soldaten). Selbst hochrangige Republikaner liebäugeln inzwischen offen mit der Idee, für Clinton als Präsidentin zu stimmen und im Wahlkampf hingegen eine Mehrheit der Republikaner im Kongress anzustreben.

Insofern ist derzeit die Wahrscheinlichkeit deutlich größer, dass Hillary Clinton ins Oval Office einziehen wird. Sicher ist dies jedoch nicht. Trump könnte eine Kehrtwende vollziehen und seinen Ton deutlich mäßigen. Zudem ist auch Clinton an einigen Stellen angreifbar; zu nennen wären hier die Verwendung ihres privaten E-Mail-Accounts und Vorwürfe gegenüber der Clinton-Stiftung. Falls ein schwerwiegendes Ereignis einträte, z.B. ein Terroranschlag auf amerikanischem Boden, könnte sich die Lage ebenfalls grundlegend ändern. Man kann durchaus die Auffassung vertreten, dass der Lehman-Konkurs im September 2008 im weiteren Jahresverlauf zu Obamas Wahlsieg beitrug.

Sofern es jedoch nicht zu derartigen Ereignissen kommt, dürfte Hillary Clinton im Januar das kommenden Jahres als Präsidentin amtieren. Sie kann auf eine geeinte Partei (im Gegensatz zu den Republikanern) und eine gut organisierte Wahlkampfmaschine zurückgreifen, wird vom immer noch populären POTUS Obama unterstützt und verbreitet eine optimistische Botschaft.

Außerhalb der USA sind die größten politischen Risiken in den Industrieländern ganz klar in Europa zu verorten. Die Zuwanderung ist in vielen Ländern ein wichtiges Thema, zumal der Flüchtlingszustrom die wachsende Ablehnung der Globalisierung eindeutig verstärkt. Die im vergangenen Jahr erzielte Vereinbarung zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen ist unter Druck geraten.

Sollte sich die Zuwanderung wieder verstärken, käme dieses Thema zu den anhaltenden Diskussionen über die institutionelle Struktur der EWU, den Folgen der EWU-Krise (vor allem hohe Schuldenquoten), den Brexit-Verhandlungen, der Russland-/Ukraine-Krise und dem ohnehin vollen politischen Zeitplan für das kommende Jahr hinzu. Dieser Mix könnte dazu führen, dass Parteien, die sich gegen das „Establishment“ wenden, an Einfluss gewinnen oder sogar in einigen Ländern an die Regierung gelangen.

In der nächsten Zeit bestehen vor allem in Italien Risiken, wo im Herbst ein Referendum über eine Verfassungsreform stattfinden soll. Wie bereits an anderer Stelle erläutert, dürfte dabei weniger die Frage auf dem Wahlzettel im Mittelpunkt stehen als eine Reihe anderer Themen. Insbesondere wird es um Renzis Popularität sowie um die damit zusammenhängende Frage gehen, wie mit dem italienischen Bankensektor verfahren werden soll (in welchem Umfang also der private Sektor beteiligt werden soll).

Die gute Nachricht lautet, dass Renzi Maßnahmen ergreift, um klar zwischen der Verfassungsreform und einer Abstimmung über seine Amtsführung zu trennen. Eine Ablehnung der Reformvorschläge muss nicht unbedingt vorgezogene Neuwahlen zur Folge haben, sondern könnte auch zu einer technokratischen Regierung führen. Allerdings könnte dadurch die Popularität der 5-Sterne-Bewegung langfristig weiter zunehmen.

In Frankreich finden im April/Mai 2017 Präsidentschaftswahlen statt, und es sieht derzeit so aus, als ob Marine Le Pen und der Mitte-Rechts-Kandidat in die Stichwahl einziehen werden. Bei letzterem dürfte es sich wahrscheinlich um den ehemaligen Premierminister Juppé oder den ehemaligen Präsidenten Sarkozy handeln. Wahrscheinlich wird der Mitte-Rechts-Kandidat gewinnen. Dies sollte die Märkte beruhigen, weil ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft damit für die nächste Zeit sehr unwahrscheinlich wäre. Dennoch sei darauf hingewiesen, dass insbesondere Sarkozy seit dem Jahr 2012 etwas euroskeptischer geworden ist; er spricht sich für striktere Grenzkontrollen, eine geringere Rolle der Kommission und stärkeren nationalen Einfluss auf die gemeinsame EU-Politik aus.

Zuletzt stehen in Deutschland im Herbst 2017 Bundestagswahlen an. Deutschland ist zweifelsohne von den vier großen Euroländern dasjenige mit der größten politischen Stabilität, was insofern Sinn ergibt, als es in einer deutlich besseren wirtschaftlichen Lage ist als die übrigen drei. Die Arbeitslosenquote ist niedrig und die Wirtschaft profitiert in hohem Maße von den rekordniedrigen realen Zinsen, welche die Aktivität im Bausektor (sowohl für Wohn- als auch für Gewerbeimmobilien) sowie den Konsum ankurbeln. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass sich auch die Investitionen in Deutschland in den vergangenen Jahren gut entwickelt haben (ungeachtet des kräftigen Rückgangs im zweiten Quartal).

Auch wenn die AfD im Jahr 2017 in den Bundestag einziehen könnte, dürfte Deutschland daher von einer Koalition unter Beteiligung der CDU/CSU regiert werden. Die einzige große Frage lautet, ob bzw. in welchem Umfang Kanzlerin Merkel weiterhin die Führung übernehmen wird. Die Märkte würden sicherlich positiv auf ihren Verbleib im Kanzleramt reagieren, da sie eine sehr konstruktive Rolle für den Zusammenhalt der Region gespielt hat.