China immer noch am "Kredittropf"

Joephuntjens
Joep Huntjens

Chinas Wirtschaft ist in diesem Jahr mit geradezu unheimlicher Gleichmäßigkeit gewachsen. Das BIP legte im dritten Quartal um 6,7 Prozent zu und damit um genau dieselbe Zuwachsrate wie in den beiden vorangegangenen Quartalen. Der Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes, der die Anlegerstimmung maßgeblich beeinflusst, stieg im Jahresverlauf überwiegend stetig an. In der zweiten Jahreshälfte 2015 ging es noch abwärts. Anlegern vermittelt eine solche Beständigkeit ein Gefühl der Sicherheit. Entsprechend verbuchte der asiatische Markt für US-Dollar-Anleihen im bisherigen Jahresverlauf einen Zuwachs von 8,2 Prozent (Stand Oktober 2016).

Das Problem ist allerdings, dass China sich weiterhin auf staatliche Konjunkturfördermaßnahmen – und höhere Schulden – verlässt, um seine wirtschaftlichen Ziele zu erreichen. Seit der globalen Finanzkrise hat sich die Verschuldung auf 250 Prozent der Wirtschaftsleistung vervierfacht. Die Verschuldung wird vor allem durch die Kreditvergabe an chinesische Unternehmen forciert. Tatsächlich hat das Land hier bereits ein Niveau erreicht, das weit über dem anderer Emerging Markts und vielfach sogar über dem durchschnittlichen Schuldenstand entwickelter Volkswirtschaften liegt.

Chinas Fokus auf wirtschaftliche Stabilität kann nur eines bedeuten: Zentrale Marktreformvorhaben sind zum Erliegen gekommen. Das zeigt sich vor allem im Bereich der Staatsunternehmen, Dreh- und Angelpunkt der chinesischen Wirtschaft. Genau hier setzt die chinesische Industriepolitik an, um die Entwicklungsziele des Landes umzusetzen. Im vergangenen Jahr betrug die Gesamtkapitalrendite des staatlichen Sektors geschätzte 2,8 Prozent gegenüber 10,5 Prozent in der Privatwirtschaft. Grund: mangelnder Wettbewerb am Markt und Überkapazitäten.

Bislang versucht Peking, ineffizienter Unternehmensführung vor allem dadurch beizukommen, dass diese Großunternehmen mit anderen zu noch größeren Konglomeraten verschmolzen werden. Seit Ende 2014 fanden Fusionen im Werte von rund einer Billion US-Dollar statt. Doch das wird die Grundprobleme von Überkapazitäten und ineffizienter Ressourcenverteilung kaum lösen. Mit Massenentlassungen ist kaum zu rechnen, denn die Regierung fürchtet soziale Unruhen. Langfristig wäre es sicher angeraten, die Beschäftigten verlusteschreibender Staatsunternehmen allmählich in den rasch wachsenden Konsum- und Dienstleistungssektor des Landes umzulenken. Eine geringere BIP-Zuwachsrate (so um die 5 Prozent) ist jedenfalls unendlich viel besser als ein qualitativ schlechtes und wenig nachhaltiges Wachstum, das sich nur über den „Kredittropf“ am Leben erhalten lässt.

Während China also an seinen Reformen herumbastelt, ist es seinen asiatischen Kollegen Indien und Indonesien in diesem Jahr gelungen, weitreichende Reformen durchzusetzen. Indiens Premierminister Narendra Modi hat über die Parteigrenzen hinweg auf die Verabschiedung neuer Gesetzesvorhaben hingewirkt, wie etwa die Reform des Insolvenzrechts sowie die Einführung einer landesweit einheitlichen Mehrwertsteuer. Wie Modi musste auch Indonesiens Präsident Jokowi in den ersten beiden Jahren seiner Amtszeit zahlreiche politische Hindernisse überwinden. Dies gelang ihm u. a. durch eine Kabinettsumbildung und die Berufung von Experten in Schlüsselpositionen. Damit war Jokowi Erfolg beschieden: Seit letztem Juli hat der Staat im Wege des weltweit effektivsten Steueramnestieprogramms über sieben Milliarden US-Dollar eingenommen.

Zugegebenermaßen stellen sich Indien und Indonesien andere Probleme als China. Manche Kritiker mögen darauf hinweisen, dass das Schließen infrastruktureller Lücken und die Verbesserung bürokratischer Prozesse vergleichsweise einfache Aufgaben sind. Doch im Gegensatz zu China verfügen Indien und Indonesien über weit weniger Kontrolle über Investments und Investitionen, da staatliche Unternehmen in diesen Ländern eine deutlich geringere Rolle spielen. Daher müssen Indien und Indonesien ihre Steuereinnahmen erhöhen und einen größeren Teil dieser Einnahmen zur Finanzierung von Infrastrukturausgaben aufwenden. Zudem sind sie auf die Investitionen von Privatanlegern angewiesen.

So haben Indien und Indonesien es nicht etwa mit Staatsausgaben und steigenden Schulden, sondern durch eine robuste Konsumentwicklung geschafft, hohe Wachstumsraten zu erzielen. Die indische Wirtschaft wuchs im ersten und zweiten Quartal um 7,9 bzw. 7,1 Prozent, während sich die Zuwachsrate für Indonesien in diesem Jahr auf durchschnittlich 5 Prozent beläuft. Mit Umsetzung dieser Reformen dürfte sich die Wirtschaftsleistung der beiden Länder noch weiter verbessern, und das bedeutet vor allem: qualitativ hochwertiges, nachhaltiges Wachstum!